Die berühmten Hagenauer-Brüder aus Straß



Dass sich auch in früheren Jahrhunderten Fleiß, Begabung und unternehmerisches Geschick durchsetzten und Personen aus bescheidenen handwerklichen oder bäuerlichen Verhältnissen einen sozialen Aufstieg erreichen und zu hohem gesellschaftlichen Ansehen gelangen konnten, beweisen Angehörige der weit verzweigten Familie der Hagenauer, die aus dem heutigen Gemeindegebiet Ainring stammte und wahrscheinlich in Hagenau bei Hammerau ihren Ursprung hatte. Ein Georg Hagenauer war 1614 dort Müller und Bäcker. Von ihm leitet sich der Zweig jener bedeutender Salzburger Handelsherren ab, die im 18. Jahrhundert das Wirtschaftsleben der Bischofsstadt mitbestimmten, Geschäftsbeziehungen mit Oberitalien und den norddeutschen Städten unterhielten, aber auch einflussreiche Ämter innerhalb der städtischen Verwaltung einnahmen. Zur Familie zählte auch jener Dominikus, der 1786 zum Abt des Benediktinerklosters gewählt wurde und 1811 starb. Dass in dem stattlichen Kaufhaus in der Getreidegasse die Familie Mozart wohnte, sei nur nebenbei erwähnt.

Ein anderer Zweig der Familie bewirtschaftete zwei Höfe in Straß, die beide grundherrschaftlich zum Kloster St. Peter gehörten. Seit 1672 hatte ein Paul Hagenauer das Huebergut inne, 1722 erwarb ein Wolfgang Hagenauer das benachbarte Ammangut. Letzterer ist der Großvater der drei Brüder Wolfgang, Johann Baptist und Johann Georg Hagenauer, die als Architekten und Bildhauer nicht nur das Bauwesen und Kunstschaffen im Erzstift Salzburg maßgeblich bestimmten, sondern mit ihren Werken prägenden Einfluss auf die Entfaltung einer neuen Stilepoche, den Frühklassizismus, im Süddeutschen und österreichischen Raum nahmen.

Die drei Brüder entstammten der 1725 geschlossenen Ehe von Wolfgang (III.) Hagenauer mit Maria Hasenerl aus Thundorf. Der Älteste der Brüder, getauft ebenfalls auf den Namen Wolfgang, wurde am 16. Oktober 1726 auf dem Ammangut in Straß geboren. Nicht für die Übernahme des elterlichen Hofes, wie es bäuerlicher Gepflogenheit entsprochen hätte, scheint er Lust gehabt zu haben, sondern kam 1751 als Zimmermannslehrling nach Salzburg. Die entfernte verwandtschaftliche Beziehung mit dem Handels

herrn Lorenz Hagenauer, dem Hausherrn der Mozarts, mag dabei eine Rolle gespielt haben, denn er wohnte als Lehrling in dessen Haus. Zur Weiterbildung als Architekt bezog er 1755 die Wiener Akademie, ermöglicht durch ein Stipendium des Erzbischofs Sigismund Schrattenbach. 1759 nach Salzburg zurückgekehrt, wird er mit dem Titel eines hochfürstlichen Kammerdieners 1760 zum Hofbauverwalter bestellt, dem das gesamte landesherrliche Bauwesen im Erzstift unterstand. Schon seine ersten Kirchen, 1762 die in Itter und 1763 in Buchbach bei Mühldorf, lassen den neuen Baustil des Klassizismus deutlich erkennen: die kubisch-geschlossene Gestaltung von Grundriss und Fassaden bei gleichzeitiger Minderung der bisherigen barocken Architekturgliederungen, die nun monumentalen Formen weichen mussten. Von 1764 bis 1771 arbeitete er eng mit seinem Bruder, dem Bildhauer Johann Baptist zusammen. Zu seinen bedeutendsten Bauten zählen der Turm der Stiftskirche in Mattsee (1766-67), die Pfarrkirche zu Hallein (1769-75), um nur einige zu nennen. Jeder Bauplan, selbst für die kleinsten profanen Bauten des Landesherrn oder für die bescheidenste Filialkirche, ging über des Hofbauverwalters Tisch, der mit Änderungen nicht sparte, Unproportioniertes berichtigte und Aufwändiges minderte und damit wohl der Schrecken der Bauschaffenden auf dem Land gewesen sein dürfte. Auch in die Inneneinrichtung der Kirchen griff er ein, wie zum Beispiel bei der Gestaltung des Hochaltars der Kirchen in Waging, Teisendorf, Salzburghofen, Kay und Otting. Der mehrstufige Zwiebelturm der Kirche zu Straß, der zu den formschönsten im Rupertiwinkel zählt und ein Meisterwerk der Zimmermannskunst darstellt, dürfte wohl unter seiner Obhut entstanden sein. 1791 schuf er noch die Pläne für die Saalach-Verbauung bei Hammerau. Gestorben ist Wolfgang Hagenauer am 16. Dezember 1801 in Salzburg.

Der zweite Bruder, Johann Baptist, wurde am 22. Juni 1732 geboren und erlernte bei dem damals vielbeschäftigten Johann Georg Itzlfeldner in Tittmoning das Bildhauerhandwerk. Maßgeblich gefördert durch Erzbischof Schrattenbach studierte er ab 1754 bei J. Schletterer an der Wiener Akademie mit anschließendem Italienaufenthalt. Nach Studien in Bologna, Rom und Florenz kehrte er im Sommer 1764 nach Salzburg zurück und erlangte die Anstellung als Galerieinspektor und Hofstatuarius im Range eines Truchsessen, während der ältere Bruder nur den eines Kammerdieners einnahm. Dem begabten Bildhauer wurden bald bedeutende Aufträge zuteil. So schuf er den plastischen Schmuck für das Neutor und 1766-71  die Immaculata der Mariensäule am Domplatz. 1771 verließ er Salzburg und arbeitete fortan für den Münchner und Wiener Hof. 1774 wurde er Leiter der Bildhauerklasse an der Wiener Akademie, 1779 übernahm er noch die dortige “Erzverschneiderklasse” und gab 1791 ein Lehrbuch “Unterricht von der Proportion des Menschen” und 40 Hefte mit Ornamentstichen heraus. Kleinplastiken von ihm befinden sich in zahlreichen europäischen Museen. Gestorben ist Johann Baptist Hagenauer am 9. September 1810 in Wien.

Der Jüngste dieses künstlerisch bedeutenden Dreigestirns, Johann Georg Hagenauer, wurde am 20. Februar 1748 geboren. Er hat seine Ausbildung bei dem Bruder Wolfgang im Salzburger Hofbauamt erhalten und vervollständigte sein Können wie seine Brüder an der Wiener Akademie. Auch er machte Karriere als Baudirektor des Bischofs von Gurk, Joseph Graf Auersperg, ab 1783 Bischof von Passau, und exportierte den frühklassizistischen Stil nach Kärnten, wo er 1780 das Schloss Zwischenwässern erbaute,  und in die Passauer Dreiflüsse-Stadt. Dort schuf  er 1783 das Theater und den Redoutensaal, 1784 Schloss Straß, 1790 Schloss Haiderhof und schließlich 1792 Schloss Freudenhain. 1803 kehrte er nach Salzburg zurück und wurde Nachfolger seines Bruders als Baudirektor des inzwischen kurfürstlichen Kameralbauamtes. Als letzter der Brüder ist er am 6. April 1835 in Salzburg gestorben und wurde im St. Petersfriedhof begraben.

Die drei Hagenauer-Brüder, führende Architekten und Bildhauer ihrer Zeit, deren Werke einen hohen Rang in der Kunstgeschichte einnehmen, machten ihrem Geburtsort Straß alle Ehre. Sie würden es verdienen, dass an ihrem Geburtshaus, dem Ammanhof, eine Gedenktafel errichtet wird.

Verfasser: Hans Roth 
 


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